Kann AI heute echten Mehrwert in der Logistik schaffen?

26. November 2025 von Norman Dziengel
Gelesen in 11 Minuten
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Markus Messmer (DHBW Ravensburg), Heiko Marquardt (EFESO Management Consultants), Dr. Norman Dziengel (Inpixon)

Event-Rückblick: „Alles besser mit AI in der Transportlogistik?“ – DHBW, BME & BVL

Nur wenige Branchen stehen unter so hohem Prozessdruck wie die Turbinenfertigung. Wenn der Takt – also die maximal zulässige Zeit, um eine Einheit zu produzieren – ins Rutschen kommt, geraten ganze Produktionspläne durcheinander.

Im RITZ Innovation Center in Friedrichshafen zeigten Inpixon und EFESO Management Consultants, wie Echtzeitdaten und AI dabei helfen können, Logistik- und Fertigungsteams stabil durch den Tag zu bringen – selbst in komplexen Umgebungen mit hoher Variantenvielfalt.

Die gemeinsame Session von Dr. Norman Dziengel (Inpixon) und Heiko Marquardt (EFESO Management Consultants) war Teil des Events „Wie kann AI heute echten Mehrwert in der Logistik schaffen?“, ausgerichtet von DHBW, BME und BVL am 6. November 2025.

Participants of the “Everything Better with AI in Transport Logistics?” event, RITZ Innovation Center Friedrichshafen — with Dr. Norman Dziengel representing Inpixon.

Participants of the “Everything Better with AI in Transport Logistics?” event, RITZ Innovation Center Friedrichshafen — with Dr. Norman Dziengel representing Inpixon.

Der strategische Kontext: Wo AI in der Logistik Wirkung zeigt

EFESO eröffnete die gemeinsame Session mit einem Überblick über die aktuellen AI-Anwendungsfelder in der Logistik – vom Liefernetzwerk bis zu innerbetrieblichen Abläufen:

  • Transparenz in der Supply Chain & ETA-Prognosen: AI-gestützte Forecasts und Machine-Learning-basiertes Tracking
  • Bedarfs- und Nachschubprognosen: Bestandsoptimierung in Echtzeit
  • Wareneingang und Qualitätssicherung: Visuelle Inspektion und Anomalieerkennung mit Deep Learning
  • Intralogistik und Materialversorgung: Dynamische Materialplanung, adaptive OTD-Steuerung und AI-basierte Priorisierung

Die Kernbotschaft war eindeutig: AI braucht Struktur.

Nur wenn schlanke Prozesse, saubere Daten und klare Verantwortlichkeiten vorhanden sind, kann AI tatsächlich als Leistungshebel wirken.

Im zweiten Teil der EFESO-Präsentation lag der Fokus auf der operativen Grundlage:
Lean + Digital = AI-ready.
Ohne standardisierte Abläufe kann selbst das beste Modell einen Prozess nicht stabilisieren. Mit einer klaren Struktur hingegen kann AI Flow verstärken – statt Komplexität zu erhöhen.

Vom Plan zur Realität: Inpixon RTLS zeigt, was wirklich passiert

Im nächsten Teil der Präsentation zeigte Inpixon, wie Real-Time Location Systems (RTLS) aus reiner Sichtbarkeit echte Steuerung machen – besonders in der Turbinenfertigung, wo Komplexität, Variantenvielfalt und Taktzeiten hoch sind.

Die Herausforderung:
Papierbasierte Nachverfolgung, verzögerte Rückmeldungen und nicht synchronisierte WIP-Daten zwischen ERP/WMS und dem Shopfloor führen zu instabilen Zyklen und reaktiver Planung.

Die Lösung:
Eine operative Ebene in Echtzeit, die den digitalen Plan mit der physischen Realität verbindet – jedes Transportmittel, jedes Asset und jedes WIP-Objekt wird im Prozess erfasst.

RTLS: Annahmen werden zu Fakten

  • Ortungs-Tags verfolgen Transportwagen, Assets und WIP-Bestände über Zonen und Stationen hinweg.
  • E-Paper Displays zeigen Live-Auftragsstatus und lösen automatische Routenaktualisierungen aus.
  • Zeitstempel und Prozesszeitreihen liefern objektive Prozessanalysen.
  • Automatische Rückmeldungen in ERP/WMS schließen den Regelkreis.

Ergebnis:

Zyklus- und Transportzeiten werden gemessen, nicht geschätzt. Prozesse werden sichtbar, Abweichungen nachvollziehbar. Damit entsteht eine verlässliche Grundlage für AI-gestützte Entscheidungen.

askPixi erklärt das „Warum“ und zeigt, was als Nächstes kommt

Auf dieser Grundlage liefert Inpixons AI-Ebene, askPixi, den nächsten Schritt: Kontext, Vorhersage und konkrete Handlungsempfehlungen.

Dr. Norman Dziengel AI Webinar Headshot

"RTLS liefert die Fakten. AI verbindet sie zu einer Geschichte. Plötzlich beginnen Prozessdaten, sich selbst zu erklären — Abweichungen sind nicht länger nur Zahlen, sondern Hinweise, die das Handeln leiten. So kommen wir vom reinen Messen zur aktiven Steuerung."
— Dr. Norman Dziengel, Senior Product Manager & Consultant, Inpixon

Was askPixi lernt:

  • Verweilzeiten nach Route, Station und Schicht
  • Risiken für ETA und OTD sowie potenzielle Materialengpässe
  • Ursachen wie Staus, Reihenfolgefehler oder Batch-Abweichungen

Was askPixi empfiehlt:

  • Material-Umleitungen, Neu-Priorisierung, Nachschub- oder Schichtanpassungen
  • Erklärungen in natürlicher Sprache, zum Beispiel:
    „Die Verweilzeit in Zone B überschreitet den Zielwert. Verzögerung wahrscheinlich in Linie 2. Route N1 aktivieren.“
  • Rückschreiben von Parametern wie Pufferzeiten, Routenfrequenzen oder Sicherheitsbeständen direkt in ERP/MES-Systeme

Die Wirkung:

  • Stabilere Taktzeiten und höherer Durchsatz
  • Weniger ungeplante Engpässe und manuelle Eingriffe
  • Frühwarnungen statt reaktiver Maßnahmen
  • Optionale agentenbasierte Automatisierung, sobald Prozesse stabil laufen

Kurz gesagt: RTLS macht den Shopfloor messbar. askPixi macht ihn verständlich und handlungsfähig.

Drei praktische Beispiele aus der Session

1. Auflösen eines Engpasses

Situation: Station B ist blockiert. Transportwagen W-342 steht seit 38 Minuten still — der nächste Takt droht zu kippen.

askPixi  AI & RTLS Controlled Production Flow Station B is blocked.  Cart W-342 has been idle for 38 minutes--the next task is at risk.

Verwendete Daten: Live-Positionen der Transportwagen und Zeitstempel, Zonenkennungen, Schichtplan, Taktziele, historische Verweil- und Fahrzeiten sowie aktuelle Warteschlangendaten.

Was passiert: Die AI erkennt den Engpass automatisch, vergleicht Live-Positionen, Fahrzeiten und den Schichtplan und schlägt sofort drei Korrekturmaßnahmen vor:

  1. Umlenkung anderer Milkruns über die Nebenroute N1
  2. Vorübergehende Umverteilung eines Mitarbeitenden von Station C zu Station B für 45 Minuten
  3. Entsendung einer Person zur Überprüfung von Wagen W-342, um die Ursache zu klären
    What operators experience:
    “I can see directly on the display that my cart has a new route. No waiting, no questions, the line keeps running.”


Was die Mitarbeitenden erleben: „Ich sehe direkt auf dem Display, dass mein Wagen eine neue Route hat. Kein Warten, keine Rückfragen, die Linie läuft weiter.“

Ergebnis: Die Übergabe bleibt im Takt, der Stress sinkt, und die Reaktion erfolgt in Echtzeit.

2. Lieferungen bündeln statt Einzelfahrten

Situation: Fünf Behälter laufen nacheinander leer — bisher bedeutete das fünf einzelne Lieferfahrten.

askPixi AI & RTLS Controlled Production Flow  Before  After  Fewer Trips  No Material Shortages Stable Line Supply

Verwendete Daten: Kanban-Verbrauchsmeldungen auf RTLS-Basis, Lagerbestände, Live-Positionen der Milkruns, Fahrzeiten und Nutzungsdaten der Gänge.

Was passiert: Die AI erkennt Materialbedarfe anhand der RTLS-Signale und bündelt alle Anforderungen automatisch zu einer optimierten Liefertour.

Was die Mitarbeitenden erleben: „Mein E-Paper-Display zeigt sofort die neue Pickliste und Route. Ich fahre nur einmal — und nichts steht mehr still.“

Ergebnis: 30–40 Prozent weniger Fahrzeit, keine Materialengpässe und eine stabile Versorgung der Linie.

3. Priorisieren, wenn mehrere Aufträge verspätet sind

Situation: Drei Aufträge sind verzögert. Die Ressourcen reichen nicht für alle, und die Lieferkette droht zu stocken. Ein Chipsupplier hat Lieferungen aufgrund eines seltenen Rohstoffembargos gestoppt

askPixi  AI-Controlled Prioritization Flow  AI  Find alternative supplier  Imact Score 1-10  Reprioritize transport route  A  Impact Score 1-10  B  Impact Score 1-10  C  Impact High  E-INK Display  Top Priority: Shipment C

Verwendete Daten:  Umsatz, Kundentyp (neu oder Bestandskunde), geschätzte Verzögerung, Materialstatus, globale politische Lage und Lieferantenportfolio.

Was passiert: Die AI berechnet automatisch einen Impact-Score und schlägt eine optimierte Priorisierungsreihenfolge vor.

  • Ein Chipmangel gefährdet die Produktion ab Woche 15.
  • Das System identifiziert einen alternativen Lieferanten und löst sofort eine Ersatzbestellung aus.

Was die Mitarbeitenden erleben: „Auf dem E-Ink-Display sehe ich direkt, dass Auftrag C höchste Priorität hat — also fange ich dort an. Kein Rätselraten, keine Abstimmungen.“
„Außerdem wird die Ersatzlieferung sofort ausgelöst, um den kommenden Chipmangel zu verhindern.“

Ergebnis: Entscheidungen sind transparent, Kundenprioritäten klar, Abläufe bleiben ruhig, und die Lieferkette bleibt stabil.

Erwartete Effekte über mehrere Implementierungen hinweg

  • OTD-Stabilität: bis zu +30 Prozent
  • Takt-Stabilität: bis zu +70 Prozent
  • Expedites: bis zu –50 Prozent
  • Manuelle Eingriffe: bis zu –70 Prozent

Auch wenn die genauen Werte vom Setup und der Prozessdisziplin abhängen, bleibt das Muster gleich:
Sobald der Event-to-Action-Kreislauf geschlossen ist, werden Abläufe ruhiger, schneller und planbarer.

Takeaway

EFESO zeigte, wie schlanke und digitale Grundlagen Unternehmen auf AI vorbereiten.
Inpixon machte sichtbar, was passiert, wenn diese Grundlagen auf Echtzeit-Intelligenz treffen:

RTLS misst die Fakten. askPixi versteht sie. Gemeinsam handeln sie.

Das Ergebnis ist ein Wandel vom Feuerwehrmodus hin zu stabilem Flow — mit datenbasierten Entscheidungen, klaren Ursachen und umsetzbarer Vorausschau.

Ein Teilnehmer brachte es so auf den Punkt:

“„Wenn Sichtbarkeit auf Kausalität trifft, läuft der Shopfloor endlich ruhig — und der Plan wird glaubwürdig.”

Danksagung

Dank an DHBW, BME & BVL sowie alle Speaker und Teilnehmenden für den offenen, praxisorientierten Austausch.
Besonderer Dank an EFESO Management Consultants, insbesondere Heiko Marquardt, für die Verbindung von strategischer Perspektive und operativer Tiefe.

Kontakt:

  • Dr. Norman Dziengel — Senior Product Manager & Consulting, Inpixon
  • Heiko Marquardt — Expert Director, EFESO Management Consultants
ÜBER DEN AUTOR
Norman ist Produktmanager bei Inpixon und verfügt über mehr als 5 Jahre Erfahrung in diesem Unternehmen. Norman hat einen Doktortitel in Informatik mit Schwerpunkt auf drahtlosen Sensornetzwerken. Mit seiner Erfahrung in den Bereichen Produktmarketing, Produktmanagement und Design von Ranging- und RTLS-Produkten ist er ein wichtiges Mitglied bei der Weiterentwicklung und Innovation des RTLS-Produktportfolios von Inpixon.